Warum ich Positive Psychologie schwachsinnig finde

Das Leben ist schön.

Immer? Nein, nicht immer! Freude und Leid gehören beide zum Leben dazu. Wir Menschen haben die Tendenz, Leid und Probleme vermeiden zu wollen. Was das bringt? Meist noch mehr Leid oder sogar Krankheiten. Ich finde es erschreckend, wie viele Menschen psychosomatische (also wenn psychisches Leid sich auf den Körper – Soma – überträgt) Symptome oder Erkrankungen aufweisen. Einigen ist es nicht einmal bewusst! Oder sie verdrängen es eben. Haben wir uns nicht alle schon eingeredet, dass wir jetzt nicht krank werden? Manchmal hilft es auch. Häufig kommt die Keule dann zu Beginn unseres Urlaubs.

Positive Psychologie? Nein, danke!

Also was soll diese ganze Schönrederei? Nur um wieder einmal „durchzuhalten“. Den Satz „Indianer kennt keinen Schmerz“ hörte ich in meiner Kindheit häufig. Stimmt das? Ich würde gern mal einen fragen. Ganz besonders allergisch reagiere ich auf Menschen, die sich wirklich alles schön reden.

Positive Psychologie – jetzt mal ehrlich

An dieser Stelle möchte ich klarstellen, dass ich nicht gegen Positive Psychologie per se bin. Im Gegenteil. Der originäre Ansatz Ressourcen-orientiert zu arbeiten und zu denken, liegt mir sehr nahe. Es bringt uns selten weiter, uns in Selbstmitleid zu suhlen oder stetig unsere Schwächen zu analysieren. Viel schlauer ist es doch, unsere Stärken zu stärken, Talente auszubauen.

Im Alltag beobachte ich – auch bei mir selbst – jedoch oft, dass wir einen überzogenen Anspruch an uns selbst stellen. Ich finde es schrecklich, dass wir uns oft nicht genug fühlen und stetig das Gefühl haben, uns selbst optimieren zu müssen. Mehr Geld, mehr Besitz, bessere Job-Titel, schnellere Bestzeiten, größere Strecken, Hindernisse oder mindestens mehr Schritte am Tag – nur um dann schlussendlich doch wieder eine weitere Sucht (Aklohol, Nikotin, Zucker) relativieren zu können. Aber hey, toll gemacht! Dank „tschakka“ bewältigen wir eine weitere Hürde und fallen dann allzu oft dem Jojo-Effekt (physisch oder emotional) zum Opfer.

Also was, gar nicht erst probieren, uns zu verbessern?
Doch, doch – nur bitte nachhaltig.

Salutogenese – Entstehung von Gesundheit

Salutogenese ist die Wissenschaft zur Entstehung von Gesundheit. Für mich ein schöner Ansatz, weil unser Gesundheitssystem in den meisten Fällen kurativ statt präventiv, also erst bei Krankheiten, ansetzt. In der Salutogenese werden zum Beispiel begünstigende Faktoren für die Entwicklung von psychischer Widerstandsfähigkeit – der Resilienz – untersucht. Eine Frage ist: Was können wir tun, um Kinder möglichst gut auf die emotionalen Herausforderungen des Lebens vorzubereiten? Entsprechende Inhalte in unser Bildungssystem integrieren wäre ein guter Ansatz, wenn ihr mich fragt.

Lösungsansatz

Wenn ich also durchaus Ressourcen-orientiert denke und leben möchte, warum finde ich dann Positive Psychologie so schwierig? Es ist weniger deren Ansatz, mehr deren laienhafte Nutzung, die Verselbstständigung von, in meinen Augen, realitätsfernem Opportunismus. Nicht alles in unserem Leben ist schön. Punkt.

Es gibt Dinge, die einfach nicht schön geredet werden sollten. Krankheiten und Schicksalsschläge allgemein. Deren Bewältigung ist ein wesentlicher Aspekt unseres Lebens und für unser persönliches Wachstum entscheidend.

Darum ist es für mich viel hilfreicher, mich in Akzeptanz gegenüber Dingen (und Menschen!), die ich nicht ändern kann, zu üben. Ja klar, das klingt leichter gesagt als getan. Gleichzeitig merke ich, wie es sich für mich (und mein Wohlbefinden) lohnt.
Besonders effektiv finde ich die Frage, ob eine bestimmte Verhaltensweise hilfreich ist. Wenn ich morgens den Zug verpasse, kann ich mich entweder in einer negativen Gedankenspirale, was dieser verpasste Zug alles zur Konsequenz hat, verlieren (und richtig schlechte Laune bekommen) oder schauen, wie ich das Beste aus der Situation mache (einen Kaffee trinken und die Tageszeitung lesen oder die nächste Verbindung raussuchen). Zu fragen, welche Faktoren dazu geführt haben, dass ich zu spät war kann entweder dazu führen, mich weiter runterzuziehen (wenn ich zum Beispiel an meine idiotische morgendliche Trödelei denke) oder dazu, dass ich beim nächsten Mal früher losgehe (weil ich dieses Mal gelernt habe, dass der Ticketautomat mich eher 8 statt 2 Minuten kostet). Übertrag diesen (Gedanken-) Prozess mal auf wirkliche Probleme.

Positive Psychologie kann also hilfreich sein, vor allem dann, wenn eine realistische Chance auf gewünschte Ergebnisse besteht. Dann lohnt es sich optimistisch an die Situation zu gehen. Und auch wenn etwas nicht so wie gewünscht klappt, lohnt es sich, das Beste daraus zu machen. Doch aus dem Fenster zu springen mit der Hoffnung zu überleben, weil es Einzelfälle geschafft haben, halte ich für unklug. Und genauso realitätsfern kommen mir manche alltäglichen Anhänger der in ihrer Mission, Positive Psychologie zu leben, vor.

 

DISCLAIMER

Hier auf SMIZING schreibe ich meine persönliche Meinung. Dabei versuche ich mich auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu stützen. Neben der Tatsache, dass diese manchmal widerlegt werden, bin ich nicht nur Psychologin, sondern auch Menschen und habe meine eigene, individuelle Sichtweise und eine persönliche Meinung. Bitte nehmt nichts, was ich sage/schreibe für die eine Wahrheit. Macht stattdessen eure eigenen Erfahrungen.

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert