…und dann kam die Diagnose.
Ein gängiger Satz, mit dem meist nichts Gutes verbunden wird – außer es war eine erleichternde Diagnose. Lebensmittelunverträglichkeiten sind meist gar nicht so leicht zu identifizieren. Wenn der Arzt dann eine bestimmte diagnostiziert, kann diese helfen, das Leid (nach dem Essen) zu reduzieren. Je nach Einschränkung kann das zu einer Erleichterung oder einer stärkeren Belastung führen.
Viele Diagnosen führen zu mehr Leid
Eine Diagnose steht häufig für eine Krankheit, die wir im Allgemeinen – genau wie Probleme – als negativ bewerten und nicht haben wollen. Darum finde ich als Psychologin Diagnosen oft schwierig:
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Die vermeintliche Todesdiagnose
Für viele Menschen ist die Diagnose „Krebs“ gleichbedeutend mit dem Tod. Das ist schlichtweg falsch. Und trotzdem ist verständlich, dass diese Diagnose vielen Menschen große Angst macht. Krebs ist neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Wer würde bei dieser Diagnose also nicht in Panik geraten?
Todesängste sind eine natürliche Reaktion unseres Körpers, nur leider helfen sie uns heutzutage selten. Falls wir mal einem Löwen begegnen sollten oder durch ein Mienenfeld laufen müssen, könnten sie hilfreich sein. Als Reaktion auf eine Krankheit, die tödlich verlaufen könnte, ist sie allerdings oft eher hinderlich. Angst lässt uns verspannen, sie lähmt uns buchstäblich und versetzt uns in einen Stresszustand. Gestresste Zellen lassen sich mit Sicherheit schwieriger heilen als entspannte. Doch sie kann auch hilfreich sein: Wenn Patienten mit der Diagnose Lungenkrebs plötzlich aufhören zu rauchen und dadurch ihre Lebensqualität erhöhen zum Beispiel.
Viele Diagnosen führen zu Stigmata
Krebs, HIV und sogar eine vermeintlich harmlose Erkältung führen in unserer Gesellschaft oft dazu, dass den Betroffenen mit mehr Distanz begegnet wird. Ähnlich und vielleicht noch schlimmer verhält es sich mit psychischen Krankheiten. Wer erstmal ein Burn-Out-Syndrom diagnostiziert hat oder eine Depression gilt schnell als Weichei. Persönlichkeitsstörung? Nein, das ist mir zu anstrengend.
Hierbei sind Therapeuten übrigens nicht ausgenommen. Klar, für manche Krankheits- oder Störungsbilder ist es ratsam, Patienten zu einem Spezialisten zu schicken, doch nicht selten habe ich gehört, wie manche Therapeuten gewisse Patientengruppen für sich kategorisch ausschließen, weil sie ihnen zu anstrengend sind. Blöd nur, dass dies oft genau diejenigen sind, bei den der Leidensdruck am höchsten ist.
Von der Arbeitswelt ganz zu schweigen. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung lässt sich schwierig bis gar nicht abschließen, wenn man bereits eine Psychotherapie gemacht hat. Was für eine verkehrte Welt, wenn ihr mich fragt.
„Frau Müller können wir jetzt ja bestimmt nicht mehr so belasten nach ihrer Erschöpfungsdepression.“
Wiedereingliederung leicht gemacht – nicht.
Selbstdiagnose: Heute schon deine Symptome gegoogelt?
Hand aufs Herz, Symptome googeln haben wir alle schon gemacht. Und hat es geholfen? Mir in den meisten Fällen nicht. Im Gegenteil, ich war danach meist noch verunsicherter und panischer als vorher. Das bringt mich auch zu dem Gedanken, dass es am Ende nicht die Diagnose an sich ist, die zu mehr Leiden führt. Im Grunde ist eine Diagnose ja nur ein Wort. Es ist das, was wir daraus machen. Die Dynamik zeigt sich besonders gut, wenn wir eine Diagnose auf Lateinisch bekommen und nicht verstehen, was sie bedeutet. Obwohl wir nichts mit dem Wort anfangen können und dadurch auch keine (rationale) Bewertung schlussfolgern können, tun wir es trotzdem. Meist auf Basis unser Sorgen, Stimmungslage, Persönlichkeit. Es überrascht nicht, dass wir dann meistens mit dem Schlimmsten rechnen, oder?
Die entscheidende Frage ist doch:
Hilft eine Diagnose mir oder schadet sie? Und weiter: Ist meine Reaktion auf eine Diagnose förderlich oder hinderlich für mein übergeordnetes Ziel (in den meisten Fällen die Gesundheit)?