Das vierundachtzigste Problem – und seine Lösung

Mensch hält Papier mit unzufriedenem Smiley vors Gesicht - Das vierundachtzigste Problem

Frage jemanden nach dem Befinden und ich wette, dass es nicht lange dauert, bis du die ersten Klagen hörst. Manchmal ertappe ich mich selbst, wenn ich im Jammer-Modus bin. Dann gehe ich mir meist auch selbst auf die Nerven. Auf Reisen habe ich schon oft gehört, dass wir Deutschen den Ruf haben, viel zu nörgeln und mit einem romanartigen Monolog auf ein „How are you?“ antworten. Ob ein „Fine thanks – and you?“ allerdings immer besser oder authentischer ist, wage ich auch zu bezweifeln.

Das vierundachtzigste Problem – die Geschichte

Doch was haben wir von diesen ganzen Problemen? In jedem Fall beschäftigen sie uns sehr viel. Dabei legen wir unseren Fokus sehr unterschiedlich. Mal ist es die Partnerschaft, dann der Job und manchmal auch einfach die Langeweile. Rapper Jay-Z hat unseren Problem-orientieren Lebensstil in seinem Song „99 Problems“ aufgegriffen.
Wenn ich heute in meinen Jammer-Modus verfalle, versuche ich mich an einen Dialog zwischen einem armen Bauern und Buddha zu erinnern:*

Der Bauer wandte sich verzweifelt an Buddha und berichtete von seinem Leid. Er hatte Schwierigkeiten in der Landwirtschaft, mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern und erhoffte sich Buddhas Hilfe. „Es tut mir leid, aber ich kann dir nicht helfen“ antwortete Buddha. Der Bauer schimpfte und Buddha erwiderte: „Weißt du, alle Menschen haben dreiundachtzig Probleme. Das ist die traurige Wahrheit. Einige verschwinden ab und zu, aber es dauert nicht lang, bis sich dafür andere einstellen. Wir haben also immer dreiundachtzig Probleme.“ Verärgert stieß der Bauer hervor: „Wozu ist die Lehre dann gut?“

Buddha antwortete: „Meine Lehre bietet keine Hilfe bei den dreiundachtzig Problemen, aber sie kann vielleicht beim vierundachtzigsten Problem helfen.

Das vierundachtzigste Problem ist, dass wir keine Probleme haben wollen.“

Tja, da ist was dran. Als ich diese Geschichte zum ersten Mal in dem Buch „Zen sein – Zen leben“ von Ezra Bayda** las, hatte ich einen kleinen Aha-Effekt. Ich fühlte mich ertappt.

Das vierundachtzigste Problem – die Erkenntnis

Ich möchte keine Angst haben, dass die Pläne meiner Selbstständigkeit vielleicht nicht aufgehen könnten. Krank sein möchte ich schon gar nicht, vor allem wenn ich es bin. Ich möchte nicht verlassen werden und ich möchte keinen nervigen Chef oder Kollegen. Ach ja, am liebsten hätte ich Harmonie und keine Probleme. Die gilt es zu vermeiden. Da ist es, das böse Konzept: Vermeidung. Wenn es keine Vermeidung ist, dann zumindest Widerstand. Wir wehren uns dagegen, uns mit unserem Leben so zu konfrontieren, wie es ist, denn das bedeutet, unsere Vorstellungen darüber aufzugeben, wie unser Leben sein sollte. Das geht natürlich nicht, denn das könnte bedeuten, dass wir unsere Kontrolle aufgeben müssen. Das macht Angst, Angst Bekanntes aufzugeben (selbst wenn es uns unglücklich macht). Also Widerstand!

Das vierundachtzigste Problem – der Widerstand

Mit Widerstand verfestigen wir unsere Probleme allerdings meist. Wir geben ihnen Macht über uns. Die Angst treibt uns weiter in die Vermeidung. Wir vergeuden extrem viel Energie, doch das fällt uns selten auf. Oft bemerken wir auch nicht, wie sehr wir in unseren Ängsten und Mustern gefangen sind. Manchmal ertappe ich mich, wenn ich in meinen Verlustängsten gefangen bin: Ich erwarte, dass jemand sich meldet und wenn dies ausbleibt, geht der Gedankenkreisel an. Also Ablenkung: Raus aus der Situation und Handy weg. Puh, gar nicht so leicht. Häufig gelingt es mir noch nicht.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass du bewusst an deinem Leid festhalten möchtest.

Diesen Satz finde ich sehr spannend und leider manchmal zutreffend (denn es macht mich ja unglücklich und das will ich ja nicht => Das vierundachtzigste Problem).

Raum mit vielen Türen - Das vierundachzigste Problem

Den Widerstand überwinden

Schnell ergibt sich jetzt die Frage nach dem „Warum“. Doch ist diese Frage hilfreich? Selten – zumindest für mich. Ich spüre vielmehr, dass beim Thema Festhalten und Widerstand ein anderes – mir eher unangenehmes – Konzept aufkommt: Loslassen. Sagen wir es einmal so: Wenn das gerade angesprochene Ablenken schwierig ist, erscheint mir Loslassen nahezu unmöglich. Doch machen wir nicht den zweiten vor dem ersten Schritt.

Der erste Schritt um den Widerstand zu überwinden ist ihn wahrzunehmen und zu beobachten, ohne zu bewerten. In dem Augenblick, in dem ich meine schlotternden Knie oder die schwitzigen Hände wahrnehme, und versuche zu benennen und zu beschreiben, bin ich nicht mehr so sehr in meiner Emotion gefangen.

Im zweiten Schritt geht es darum, den aktuellen Zustand zu akzeptieren. Ich weiß, dass meine Verlustängste übertrieben sind und das es nicht hilft zu schauen, wie oft jemand online war und mir trotzdem nicht geschrieben hat (wie dreist, immerhin bin ich der Nabel der Welt). Doch ich weiß auch, dass ich aktuell nicht so weit bin, es zu unterlassen, obwohl ich schon eine Weile übe.

Das ist okay!

Es ist vollkommen in Ordnung und logisch, dass Verhaltensmuster sich nicht von heut auf morgen ändern, wenngleich wir das gern hätten. Zu akzeptieren, dass ich Verlustängste habe (die ich nicht haben will) und zu akzeptieren, dass ich meinem Anspruch, diese im Affenzahn zu überwinden, nicht gerecht werde, ist nicht leicht. Doch auch hier ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Darum ist mein Schlüssel üben, üben, üben.

Zur Erinnerung:

Das heißt nicht, dass ich durch Übung anstrebe, keine Probleme mehr zu haben. Vielmehr geht es darum, zu verstehen, dass der Wunsch nach Problemfreiheit unsere Probleme verstärkt. Mein Credo ist daher: damit umgehen statt dagegen angehen.

 

Was meint ihr? Ist das vierundachtzigste Problem vielleicht auch sinnvoll? Wollt ihr festhalten oder loslassen? Was sind eure Widerstände und wie geht ihr mit ihnen um?

 

 

*Aus: BAYDA, EZRA (2003): „Zen sein – Zen leben“. München: Goldmann (S.60f)
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